Erneut hat die MIT Neukirchen-Vluyn die Auszeichnung „Unternehmer des Jahres“ verliehen. 2022 fiel die Wahl der Mittelstands- und Wirtschaftsunion auf ein Unternehmen des Handwerks, und zwar auf die Firma Dreier & Meiss Bedachungsgesellschaft mbH & Co. KG.
Das Handwerksunternehmen besteht, wenn auch in anderen Rechtsformen, aber bis heute in Hand der Gründerfamilie Meiss, seit 1846 und damit seit 176 Jahren. Der Sitz des Dachdeckerbetriebs war über viele Jahrzehnte an der Repelener Straße im Ortsteil Neukirchen.
1971 plante die Stadt Neukirchen-Vluyn eine Bereinigung in diesem Bereich. Der Gewerbebetrieb musste verlagert werden. Da das Unternehmen am Standort Repelener Straße aufgrund der räumlichen Enge inzwischen auch mit Entwicklungsproblemen zu kämpfen hatte, kamen die Verlagerungsüberlegungen gerade recht. Erich Hermann und Ursula Meiss bot sich damals die Gelegenheit den Dorsterhof am jetzigen Standort Grotfeldsweg 151 zu kaufen. Größe und Räumlichkeiten des Hofs waren für das Dachdeckerunternehmen völlig ausreichend. Wichtig war, dass die Maschinen und der Fuhrpark einen Platz bekamen. Hier hat Christian Meiss den elterlichen Betrieb über viele Jahre mit Erfolg weitergeführt.
Mit unternehmerischer Weitsicht hat er sich bereits vor geraumer Zeit Gedanken über die Unternehmensnachfolge gemacht – ein Prozess, der in der Regel über mehrere Jahre verläuft. Mit Kevin Dreier hat Christian Meiss einen geeigneten Nachfolger aus dem eigenen Unternehmen aufgebaut. 2007 war der damals 16-jährige in das Unternehmen E.H. Meiss GmbH gekommen und begann dort seine Ausbildung. 2010 folgte die Gesellenprüfung und bereits ein Jahr später besuchte Kevin Dreier die Meisterschule. Um seinen Lebensunterhalt sicherzustellen, beantragte er MeisterBafög und Christan Meiss erklärte sich bereit, ihm, als Investition in die Zukunft, eine Unterstützung zukommen zu lassen. Kevin Dreier zeigte auf seine Weise Dank, indem er bereits im Jahre 2012 die Meisterprüfung mit Erfolg ablegte und dem Unternehmen in verantwortlicher Position treu blieb. 2018 war es an der Zeit die Unternehmensnachfolge einzuläuten und 2019 die Dreier & Meiss Bedachungsgesellschaft mbH & Co KG gegründet: Kevin Dreier wurde alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und Christian Meiss beteiligte sich an der neuen Firma als Kommanditist in der KG. Alle 10 Mitarbeiter wurden übernommen.
„Auch wenn wir nicht die Hausherren sind, freuen wir uns gemeinsam mit Herrn Kevin Dreier und Herrn Christian Meiss, Sie am Grotfeldsweg 151 begrüßen zu können.“ Mit diesen Worten eröffnete Michael Darda, stellv. Vorsitzender der MIT Neukirchen-Vluyn, die Veranstaltung am 17.8.2022. Neben Gäste und Mitgliedern der Mittelstandvereinigung nahmen politische Vertreter wie Kerstin Radomski (MdB), Karsten Holderberg (stellv. Fraktionsvorsitzender CDU Neukirchen-Vluyn), Käthe Bruckhaus (Vorsitzende der Senioren Union der CDU Neukirchen-Vluyn) und Jonas Kuhn (stellv. Vorsitzender der CDU Neukirchen-Vluyn) sowie mit Baron Friedrich von der Leyen (Obstgut Blömersheim) Werner Arts (AGA Saat GmbH), Johannes Leuchtenberg (landwirtschaftlicher Betrieb Paschenhof) und Dirk Schauenberg (Gesundheitszentrum Kensho) auch einige „Unternehmer des Jahres“ der Vorjahre teil.
„In guten, besonders aber in schlechten Zeiten sind es die hiesigen Betriebe, also auch die ‚von der Leyens‘, die ‚Leuchtenbergs‘, die ‚Kensho-Mannschaft‘, die ‚Unternehmensgruppe AGA‘ und die Firma ‚Dreier & Meiss Bedachungsgesellschaft mbH & Co. KG‘ die den Karren ziehen, die den Menschen Arbeit geben. Sie kümmern sich um die Jugend, sind die, die ausbilden, die Gewerbe- und Einkommensteuer zahlen, die das Brauchtum pflegen und sich auch ehrenamtlich in Vereinen und Verbänden engagieren. Jede Krise war und ist mit Kosten wie bspw. Förderprogramme, Subventionen, fehlende Steuereinnahmen verbunden, die die Gesellschaft tragen muss. Mit Gesellschaft sind die gemeint, die für das Steueraufkommen sorgen, also Sie: der Mittelstand/die Mittelschicht. Sie sind der Fahnenträger, der Motor in unserem Land. Sie tragen damit Verantwortung für die Allgemeinheit. Der Mittelstand übernimmt also, neben seiner eigentlichen Aufgabe der Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen auch die Aufgabe der Motivation, der Stimmungsmache. Darüber wird viel zu wenig gesprochen. Mit der Auszeichnung ‚Unternehmer des Jahres‘ wollen wir deshalb einmal im Jahr ein Unternehmen in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen und dem Unternehmer/der Unternehmerin Dank sagen.“
Michael Darda stellte klar, dass die Wahl der Unternehmer des Jahres nicht willkürlich geschehen, sondern stets sowohl Besonderheiten und branchenspezifische Momente berücksichtigt werden. „Auch deshalb fiel unsere Wahl diesmal auf ein Unternehmen des Handwerks. Die Bedeutung der Handwerksbetriebe wurde in den vergangenen Jahren durch die Politik verkannt oder bewusst vernachlässigt. Die Politiker haben vieles getan, was den Handwerksbetrieben und der Qualität der Arbeiten in den Betrieben geschadet hat,“ so Darda weiter. „Ich nenne hier nur einmal aus dem Jahre 2004 die von den Sozialdemokraten gegen den Widerstand der Union und der Handwerker unter der Überschrift ‚Mehr Chancen für Unternehmensgründungen‘ initiierte Reform der Handwerksordnung. In vielen Branchen wurde der Meisterzwang abgeschafft. Fliesenleger, zum Beispiel, konnte jetzt jeder werden – auch dann, wenn er den Unterschied zwischen Naturstein und Feinsteigzeug nicht erklären konnte. Das ging eindeutig zu Lasten der Qualität. Der Endverbraucher musste den Preis dafür zahlen. Die Union hat diese Entscheidung aus dem Jahre 2004 im Jahre 2020 teilweise korrigiert. Weil sie schlichtweg falsch war. Aktuell gilt wieder die Meisterpflicht in 53 Gewerken.“
Als weiteren großen Fehler, nannte Michael Darda, die Ideologie, dass den jungen Menschen die Möglichkeit zum Abitur geboten werden muss. Aus den Pisa-Studien wissen man inzwischen: Um allen das Abitur zu ermöglichen, mussten die Anforderungen an diesen Schulabschluss heruntergesetzt werden. Die schulische Qualifikation, das Allgemeinwissen sind heute deutlich niedriger als vor Jahren. Damit sei auch keinem gedient.
„Manuelle Fertigkeiten schlagen sich nicht in Sprachgewandtheit oder in Schulzeugnissen nieder. Handwerker tragen die Intelligenz in ihren goldenen Händen“, zitiert Darda den Schriftsteller Horst Reiner Menzel und macht mit einer Aufzählung der Anforderungen und Fähigkeiten, die ein guter Handwerker mitbringen und leisten muss, deutlich, dass die Qualifikationen eines Handwerksberufs auf keinen Fall unter der eines Akademikers anzusehen sei. Im Gegenteil. Christian Meiss und insbesondere Kevin Dreier stehen stellvertretend für die (noch) vielen Handwerksbetriebe in Deutschland, denen Politik und Gesellschaft, mehr Beachtung und Wertschätzung entgegenbringen sollte. Christian Meiss und insbesondere Kevin Dreier beweisen, dass Handwerk jungen Menschen eine gute Perspektive, Weiterentwicklung und hervorragende Karrierechancen bietet.
In rund 1.000.000 Handwerksbetrieben arbeiten knapp 5,6 Millionen Menschen, fast 375.000 Auszubildende werden im Handwerk ausgebildet. Somit
sind zurzeit 12 % aller Erwerbstätigen und rund 29 % aller Auszubildenden in Deutschland im Handwerk tätig.
Handwerksunternehmen sind überwiegend Kleinbetriebe. Die größte Gruppe der Handwerker (fast 50 %) sind Betrieben mit fünf bis 20 Mitarbeitern. 2021 erreichte der Umsatz im Handwerk rund 668 Milliarden Euro. Der Anteil des Dachdeckerhandwerks an diesem Gesamtumsatz liegt bei etwas unter 2 %. 2021 erwirtschaftete das Dachdeckerhandwerk über 11 Milliarden Euro Umsatz. Es gab 64.100 gewerbliche Mitarbeiter/innen und über 15.000 Dachdeckerbetriebe waren in der Handwerksrolle eingetragen. 2 % Umsatzanteil klingt wenig: ist es aber nicht. Bedenken sie bitte, dass es nicht nur die in der Anlage A der Handwerksordnung aufgeführten 53 Gewerbe mit Meisterpflicht gibt. Hinzu kommen noch 56 zulassungsfreie und 57 handwerksähnliche Berufe. Insgesamt sind es also 166 verschiedene Gewerbe. Die wirtschaftliche Bedeutung des Handwerks allgemein und der Dachdecker im Besonderen erschließt sich allerdings nicht nur aus der Anzahl der Betriebe, aus der Zahl der dort Beschäftigten und deren Wertschöpfung. Das Handwerk hat eine besondere regionalpolitische Bedeutung. Die Handwerksbetriebe sind nämlich über die Fläche verteilt und sie tragen Wachstum und Beschäftigung auch in die ländliche Region. Gerade in strukturschwachen Regionen oder in einem Flächenkreis wie Wesel ist die Verfügbarkeit von Handwerksleistungen ein wichtiger Standortfaktor für ansiedlungswillige Betriebe und für die Wahl als Wohnort. Die Ausweisung von Gewerbeflächen bei der Stadtplanung kann nicht gelingen, wenn die ortsnahe Verfügbarkeit von Handwerksleistungen nicht gegeben ist.